von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Krieger
Die Urlaubszeit ist für viele die schönste Zeit des Jahres. Das Recht des Arbeitnehmers auf Urlaub oder dessen Abgeltung gibt aber auch immer wieder Anlass zu Fragen und rechtlichen Problemen. Zu einigen hiervon soll im folgenden Stellung genommen werden. Manche der folgenden Punkte sind „ein alter Hut“, wenn auch nicht immer bekannt, andere sind auf Grund der sich in den letzten Jahren ändernden Rechtsprechung zum Urlaubsrecht neu und führen zu einer teilweisen Umkehr der bisher geltenden Rechtslage.
Wer hat Anspruch auf Urlaub?
Einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub haben alle Arbeitnehmer. Hierzu zählen nicht nur Vollzeitarbeitnehmer, sondern auch Teilzeitarbeitnehmer, gleichgültig wie diese Teilzeit ausgestaltet ist. Auch sogenannte „Mini Jobber“, also geringfügig Beschäftigte auf 450-Euro-Basis oder „Aushilfen“ haben einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Ebenso fallen Auszubildende unter den Arbeitnehmerbegriff des Bundesurlaubsgesetzes, auch ihnen steht ein jährlicher Urlaub zu.
Der Urlaubsanspruch ist weder abhängig von der Betriebsgröße (Arbeitnehmerzahl), noch von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Zwar sieht das Bundesurlaubsgesetz eine Wartezeit von sechs Monaten für das erstmalige Entstehen des vollen Urlaubsanspruchs vor. Allerdings haben Arbeitnehmer, die vor Erfüllung der Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden einen Anspruch auf Teilurlaub, so dass auch bei kurzen Arbeitsverhältnissen dem Arbeitnehmer Urlaub zusteht.
Wie viel Urlaub kann ein Arbeitnehmer im Jahr beanspruchen?
Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch in Deutschland beträgt 24 Werktage. Hierbei geht das Bundesurlaubsgesetz von einer Sechs-Tage-Woche aus, Werktage sind Montag bis Samstag. Bei der heute meistens üblichen Fünf-Tage-Woche ist der Mindesturlaubsanspruch umzurechnen und beträgt 20 Arbeitstage (24/6 x 5). Damit entspricht der Mindesturlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz dem der Europäischen Urlaubsrichtlinie von vier Wochen.
Tarifverträge oder Arbeitsverträge können mehr Urlaub für den Arbeitnehmer vorsehen, eine Unterschreitung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs ist aber unzulässig (und unwirksam).
Schwerbehinderte Menschen, also Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50, haben Anspruch auf Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen nach dem Sozialgesetzbuch IX. Dieses geht von einer Fünf-Tage-Woche aus, so dass der Zusatzurlaub eine Woche beträgt. Auch bei diesem Zusatzurlaub handelt es sich um einen gesetzlichen Mindestanspruch, der nicht unterschritten werden darf.
Was passiert bei unterjährigem Ausscheiden des Arbeitnehmers?
Scheidet ein Arbeitnehmer vor Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis aus, so erhält er einen anteiligen Urlaubsanspruch (s.o.).
Nach Erfüllung der Wartezeit kommt es darauf an, ob er im ersten oder im zweiten Kalenderhalbjahr ausscheidet.
Bei Ausscheiden im ersten Halbjahr, das heißt bis einschließlich 31.06., besteht der Anspruch ebenfalls anteilig. Der Arbeitnehmer erhält 1/12 seines Jahresurlaubes für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in diesem Jahr. Angebrochene Monate zählen nicht, auch nicht anteilig. Ergibt sich ein Bruchteil eines Urlaubstages, so ist die Summe aufzurunden, wenn der Bruchteil mindestens ½ beträgt. Abrundungen hingegen sind unzulässig.
Scheidet der Arbeitnehmer hingegen in der zweiten Jahreshälfte aus, so findet keine Zwölftelung des Urlaubs statt. Der Arbeitnehmer hat vielmehr Anspruch auf seinen gesamten Jahresurlaub. Etwas Abweichendes kann in Bezug auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur in einem Tarifvertrag, nicht jedoch arbeitsvertraglich geregelt werden.
Wann verfällt der Jahresurlaub?
Der jährliche Erholungsurlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr, das heißt bis zum 31.12. genommen werden. Liegen dringende betriebliche oder persönliche Gründe des Arbeitnehmers vor, die dies verhindern, so kann der Urlaub ins Folgejahr übertragen werden. Eine solche Übertragung muss nicht gesondert beantragt werden, sie findet vielmehr bei Vorliegen eines entsprechenden Grundes „automatisch“ statt. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub dann bis spätestens 31.03. des Folgejahres genommen werden, ansonsten verfällt der Urlaub.
Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings im Falle einer langandauernden Erkrankung des Arbeitnehmers. In Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Grund einer langandauernden durchgängigen Erkrankung weder in der Lage ist, den Urlaub im laufenden Kalenderjahr noch bis Ende März des folgenden Kalenderjahres zu nehmen, wird der Urlaub auch über diesen Zeitpunkt hinaus übertragen, höchstens aber bis zum 31.03. des auf das Übertragungsjahr folgenden Kalenderjahres.
Der Urlaub verfällt also im Regelfall am Ende des Kalenderjahres, bei Vorliegen eines Übertragungstatbestandes drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres und im Falle der durchgängigen Erkrankung des Arbeitnehmers 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres in dem er entstanden ist.
Was bedeutet Urlaubsabgeltung?
Wenn das Arbeitsverhältnis endet und dem Arbeitnehmer steht noch (Rest-)Urlaub zu, so ist ihm dieser abzugelten. Der Urlaub wird in Geld „umgerechnet“ und an den Arbeitnehmer ausgezahlt. Hierbei ist zu beachten, dass eine wirksame Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Der Urlaubsanspruch ist ein Freistellungsanspruch. Nur im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die dazu führt, dass die Freistellung nicht mehr gewährt werden kann, ist eine Abgeltung als Auszahlung des Urlaubsanspruchs ausnahmsweise zulässig. Während eines laufenden Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer die Abgeltung seines Urlaubs nicht verlangen.
Arbeitgeber, die ihrem Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis den Urlaub abgelten, können gleichwohl von diesem Arbeitnehmer auf Gewährung des Urlaubs durch Freistellung in Anspruch genommen werden. Die Abgeltung im laufenden Arbeitsverhältnis bringt nämlich den Urlaubsanspruch nicht zum Erlöschen.
Verfällt die Urlaubsabgeltung wie der Urlaub?
Früher verfolgte die Rechtsprechung die sogenannte „Surrogationstheorie“, wonach der Urlaubsabgeltungsanspruch streng den Regeln des Urlaubsanspruchs folgte. Der Abgeltungsanspruch konnte nur dann geltend gemacht werden, wenn auch, unterstellt das Arbeitsverhältnis wäre nicht beendet worden, der Urlaubsanspruch noch geltend gemacht werden konnte. Dies hatte zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der etwa Ende Oktober aus seinem Arbeitsverhältnis ausschied, seinen Urlaubsabgeltungsanspruch spätestens im April des Folgejahres nicht mehr geltend machen konnte. Der Abgeltungsanspruch war verfallen, da auch der Urlaubsanspruch bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses verfallen gewesen wäre.
Diese Ansicht wurde inzwischen von der Rechtsprechung aufgegeben. Der Abgeltungsanspruch wird nunmehr als reiner Geldanspruch angesehen, der nicht mehr nach den Regeln des Urlaubsanspruchs verfällt, sondern lediglich der regelmäßigen dreijährigen Verjährung unterliegt.
Ist Urlaub oder Urlaubsabgeltung vererblich?
Der Urlaubsanspruch ist als höchstpersönlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf bezahlte Freistellung von der Arbeit weder übertragbar noch vererblich. Es ist auch nicht vorstellbar, wie ein Arbeitgeber die Erben seines Arbeitnehmers von der Arbeit freistellen sollte. Es besteht kein Arbeitsverhältnis zwischen diesen Personen.
Nach Aufgabe der Surrogationstheorie (siehe letzter Abschnitt) und Bewertung des Urlaubsabgeltungsanspruchs als reinen Geldanspruch ist dieser allerdings durchaus übertragbar und auch vererbbar.
Das Bundesarbeitsgericht hat hierfür in der Vergangenheit allerdings verlangt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch bereits in der Person des Arbeitnehmers entstanden war, dass also das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers bereits beendet war, und der Arbeitnehmer seinen Abgeltungsanspruch (als Geldanspruch) bereits geltend gemacht hatte.
Nachdem der Europäische Gerichtshof sich aber auf den Standpunkt gestellt hat, dass eine solche Geltendmachung zu Lebzeiten nicht erforderlich ist und der Urlaubsabgeltungsanspruch auch durch den Tod des Arbeitnehmers entstehen kann, das Arbeitsverhältnis also nicht schon zum Zeitpunkt des Todes beendet gewesen sein muss, wird man wohl zukünftig davon ausgehen müssen, dass bei Tod eines Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis dessen Erben den Abgeltungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen können.
Kann von den gesetzlichen Urlaubsregelungen durch Vertrag abgewichen werden?
Die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes sind zwingend. Von Ihnen kann zu Lasten des Arbeitnehmers allenfalls durch Tarifvertrag, nicht jedoch durch einen Arbeitsvertrag abgewichen werden. Vertragliche Besserstellungen des Arbeitnehmers sind aber erlaubt.
Gewährt der Arbeitgeber jedoch vertraglichen Mehrurlaub, das heißt mehr als den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub von 24 Werk- bzw. 20 Arbeitstagen, so können bezüglich dieses Mehrurlaubes durchaus vom Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelungen, auch zu Lasten des Arbeitnehmers, arbeitsvertraglich vereinbart werden.
So kann zum Beispiel im Arbeitsvertrag geregelt werden, dass der vertragliche Mehrurlaub im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten werden muss oder schon früher als der gesetzliche Mindesturlaub verfällt (selbst im Falle der andauernden Erkrankung des Arbeitnehmers!).
Wichtig ist hierbei allerdings, dass diese Regelungen im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt sind und dass zum Ausdruck kommt, dass der gesetzliche Mindesturlaub und der vertragliche Mehrurlaub unterschiedlichen Regelungen folgen sollen.
Unterbleibt dies, so folgt der vertragliche Mehrurlaub stets den Regeln des gesetzlichen Mindesturlaubs.