Sehr geehrte Mandantin,
sehr geehrter Mandant,
eine der für die Praxis entscheidendsten Punkte im neuen Konjunkturpaket zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ist sicherlich die temporäre Steuersatzsenkung in der Umsatzsteuer im Zeitraum 1.7.2020 bis 31.12.2020 auf 16 % bzw. ermäßigte 5 %. Der nachfolgende Beitrag soll die daraus resultierenden praktischen Folgen und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
1. Welcher Steuersatz ist wann anzuwenden?
Bei der letztlichen gesetzlichen Umsetzung hat sich der Gesetzgeber für folgenden Grundsatz entschieden: Die Frage, welcher Steuersatz anzuwenden ist, ist davon abhängig, wann die Leistung ausgeführt wird. Auf Zahlungszeitpunkt kommt es – auch bei Anzahlungen oder Ist-Besteuerter – nicht an (vgl. § 27 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG).
Auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung kommt es ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung oder der Rechnungserteilung.
Um prüfen zu können, welcher Steuersatz anzuwenden ist, muss also untersucht werden, wann umsatzsteuerlich Leistungen ausgeführt werden
1.1 Wann werden Lieferungen ausgeführt?
Lieferungen sind dann ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erworben hat.
1.2 Wann werden sonstige Leistungen ausgeführt?
Sonstige Leistungen werden zu dem Zeitpunkt ausgeführt, an dem sie vollendet sind.
1.3 Wann werden Werklieferungen und Werkleistungen ausgeführt?
Bei Werkleistungen gelten die Grundsätze der sonstigen Leistung (Ausführung mit Vollendung), bei Werklieferungen die Grundsätze der Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht).
1.4 Was gilt bei Teilleistungen?
Eine Besonderheit zu den o. g. allgemeinen Grundsätzen bilden sog. Teilleistungen. Diese liegen vor, wenn
a) für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung
b) das Entgelt gesondert vereinbart wird.
Nachträgliche Vertragsanpassungen, zur Herstellung von Teilleistungen, werden von der Finanzverwaltung nicht explizit ausgeschlossen – aber auch nicht explizit erlaubt. U. E. sollten solche nachträglichen Anpassungen jedoch möglich sein .
Beispiel
Bauherr B hatte im März 2019 dem Generalunternehmer G den Auftrag erteilt, auf einem ihm gehörenden Grundstück ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus zu errichten.
Lösung
Die Steuer entsteht mit dem Steuersatz bei Abnahme der Leistung. Wenn das schlüsselfertige Einfamilienhaus in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 fertiggestellt wird, unterliegt die gesamte Leistung der Umsatzsteuer von 16 %. Wird die Leistung erst ab dem 1.1.2021 ausgeführt, unterliegt die Leistung dem Regelsteuersatz von 19 %.
In diesem Fall wäre es sinnvoll, vor dem 31.12.2020 eine Vereinbarung über die Ausführung von Teilleistungen abzuschließen und die bis 31.12.2020 abgeschlossenen Teilleistungen abzunehmen. Insoweit würden dann die Teilleistungen endgültig nur dem Steuersatz von 16 % unterliegen.
Für Teilleistungen entsteht die Steuer, wenn die Teilleistung ausgeführt worden ist.
Die Teilleistung „schützt“ daher den Steuersatz, da sie als eigene Leistung gilt.
Zur Abgrenzung, wann eine Teilleistung vorliegt, ist u. E. noch folgendes Kriterium nützlich : Nach Auffassung einiger ist eine Leistung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise dann teilbar, wenn die Teilleistung für den Auftraggeber auch dann einen Wert behalten würde, wenn die ursprünglich gewollte Gesamtleistung nicht ausgeführt würde.
Dies klingt also theoretisch. Für den Praktiker stellt sich daher die Frage, wie denn nun praktisch Teilleistungen zu erkennen sind. Als Prüfungsschema dienen folgende drei Fragen:
a) Ist die Leistung vertraglich nicht als ein Ganzes, sondern in Teilen vereinbart und geschuldet?
b) Hat jeder vertraglich vereinbarte Teil ein eigenes wirtschaftliches Gewicht?
c) Wird über die Teile getrennt abgerechnet ?
Werden alle Fragen bejaht, liegen Teilleistungen vor.
1.5 Sonstige Abweichungen
Von den unter Tz. 1.1 bis 1.4 dargestellten Grundsätzen gibt es noch einzelne Ausnahmen. So werden beispielsweise bei innergemeinschaftlichen Erwerben, dass diese mit Ausstellung der Rechnung ausgeführt werden oder – mangels Rechnung – spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG).
2. Praktische Anwendungsfälle
Die für die Praxis nach unserer Erfahrung bedeutendsten Anwendungsfälle der Steuersatzänderung haben wir im nachfolgenden als exemplarische Beispielsfälle dargestellt.
Wir gehen im nachfolgenden davon aus, dass der Steuersatz zum 1.1.2021 wieder auf 19 % (bzw. 7 %) steigen wird.
2.1 Anzahlungen
2.1.1 Anzahlung und Leistung beides vor 1.7.2020 oder beides nach 31.12.2020
Die Anzahlung und die Leistung sind mit 19 % (bzw. 7 %) zu besteuern. Es ergeben sich keine Besonderheiten.
2.1.2 Anzahlungen vor 1.7.2020, Leistung im zweiten Halbjahr 2020
In dieser Fallkonstellation gilt:
Beispiel
Kunde K kauft sich beim Möbelhändler M im Mai 2020 Möbel für 10.000 € brutto. Es wird eine Anzahlung von 6.000 € brutto noch im Mai 2020 und eine Schlusszahlung bei Möbellieferung im August 2020 von 4.000 € vereinbart.
Lösung
Für die Anzahlung im Mai 2020 entsteht die Umsatzsteuer bereits im Mai 2020 (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG), somit mit 19 %. Für die Schluss-zahlung entsteht die Steuer mit 16 % im Lieferzeitpunkt (August 2020).
Aufgrund des Leistungszeitpunkts im zweiten Halbjahr 2020 ist für die gesamte Leistung einheitlich ein Steuersatz von 16 % anzuwenden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 UStG), sodass eine Schlussrechnung – inkl. damit verbundener Korrektur der ursprünglichen Anzahlungs-Rechnung – in sinngemäß folgender oder ähnlicher Form zu erstellen ist.
Gibt der Unternehmer – wie von der Bundesregierung gewünscht – die Senkung des Umsatzsteuersatzes an den Endkunden weiter, müsste er wie folgt abrechnen (Hinweis: 10.000 € brutto sind bei 19 % 8.403,36 € netto):
Die Entlastung der 3 % Steuersatzdifferenz aus der Anzahlung erfolgt in der Voranmeldung des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist, hier also im August 2020.
Einer Berichtigung der Anzahlungsrechnung bedarf es nicht, wenn in der Endrechnung die Umsatzsteuer zutreffend mit insgesamt 16 % ausgewiesen wird .
Bei einem Ist-Versteuerer erfolgt die Entlastung im Zeitraum, in dem das restliche Entgelt vereinnahmt wird.
2.1.3 Anzahlungen und Leistung im zweiten Halbjahr 2020
Die Anzahlung und die Leistung sind mit 16 % (bzw. 5 %) zu besteuern. Es ergeben sich keine Besonderheiten.
2.1.4 Anzahlungen im zweiten Halbjahr 2020, Leistung in 2021
In dieser Fallkonstellation gilt:
Beispiel
Kunde K kauft sich beim Autohändler A im November 2020 ein neues Fahrzeug für 50.000 € netto. Das Fahrzeug kann aufgrund der Lieferzeit erst im Februar 2021 ausgeliefert werden.
Lösung
Die Lieferung erfolgt erst in 2021, somit entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich auch erst in 2021, damit mit 19 %, damit i. H. von 9.500 €. Ob eine Anzahlung in 2020 geleistet wird, ist insoweit unbedeutend. Sie wird zwar nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG bei Vereinnahmung im zweiten Halbjahr 2020 mit 16 % besteuert, muss jedoch letztlich bei der letztlichen Auslieferung im Februar 2021 nach § 17 UStG korrigiert werden, sprich es werden auch für die Anzahlung 3 % nachversteuert.
Wir raten aktuell davon ab, die Anzahlung in 2020 schon mit 19 % (bzw. 7 %) in Rechnung zu stellen, auch wenn dies letztlich von der Verwaltung akzeptiert werden sollte . U. E. sollte jedoch die Anzahlung zu 16 % (bzw. 5 %) in Rechnung gestellt werden und über die Schlussrechnung der Vorgang insgesamt vollständig und zutreffend abgerechnet werden. Dabei ist die Anzahlung deutlich in der Schlussrechnung abzusetzen.
2.2 Ist-Versteuerer
Auch bei sog. Ist-Versteuerern (Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten, § 20 UStG) ist der Leistungszeitpunkt maßgebend.
Beispiel
Malermeister M ist Ist-Versteuerer. Er streicht im Zeitraum 20.6.2020 bis 10.7.2020 eine Hausaußenfassade. Das Entgelt vereinnahmt er am 30.6.2020.
Lösung
Im Juni 2020 ist der Umsatz noch mit 19 % zu besteuern. Im Zeitpunkt der Leistungsausführung (Juli 2020) muss jedoch der Steuersatz von 16 % nach § 17 UStG korrigiert werden.
Werden nach dem 31.12.2020 Entgelte (oder Teilentgelte) für Leistungen bzw. Teilleistungen vereinnahmt, die der Unternehmer im zweiten Halbjahr 2020 ausgeführt hat, ist die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer noch mit 16 % (bzw. 5 %) zu berechnen.
2.3 Dauerleistungen
Zunächst muss bei einer Dauerleistung untersucht werden, ob eine Teilleistung vorliegt oder insgesamt eine einheitliche sonstige Leistung. Zur Abgrenzung wird auf Tz. 1.4 verwiesen.
2.3.1 Teilleistungen
Bei Teilleistungen werden die einzelnen Teilleistungen im zweiten Halbjahr 2020 mit 16 % (bzw. 5 %) besteuert. Problematisch ist hierbei „nur“ das Abrechnungsdokument, wie nachfolgender Sachverhalt verdeutlicht.
Beispiel
Unternehmer V vermietet an M eine unternehmerisch genutzte Immobilie. Im Mietvertrag ist Folgendes geregelt: Die Monatsmiete beträgt 10.000 € zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer von 1.900 €.
Lösung
Es handelt sich unstrittig um Teilleistungen. Der offene Steuerausweis von 1.900 € führt nach gegenwärtiger Rechtslage im zweiten Halbjahr 2020 zu einem § 14c UStG mit Abführungspflicht von 19 % bei V und Vorsteuerrecht i. H. von nur 16 % (aus 11.900 €, somit 1.641,38 €) bei M.
Um den Sachverhalt richtig zu lösen, ist nunmehr folgende Ergänzung zum Mietvertrag notwendig: „Für den Zeitraum Juli 2020 bis Dezember 2020 ändert sich die Miete im Mietvertrag vom xx.xx.xxxx auf 10.000 € zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer von 1.600 €.“
Die Umstellung aller Dauerverträge ist für die Praxis eine enorme Herausforderung.
Dieselbe Problematik sehen wir auch für Leasing-Verträge.
2.3.2 Einheitliche Dauerleistung
Hier muss auf den Zeitpunkt der Beendigung der Leistung abgestellt werden.
Beispiel 1
Der Hallenbadbetreiber H hat an Kunden eine Jahreskarte für 120 € ausgegeben. Die Karte des Kunden K1 hat eine Laufzeit vom 15.6.2019 bis 14.6.2020, die Karte des Kunden K2 hat eine Laufzeit vom 15.7.2019 bis 14.7.2020, die Karte des Kunden K3 hat eine Laufzeit vom 15.1.2020 bis 15.1.2021.
Lösung
Es liegt keine Teilleistung vor. Die Leitung wäre zwar Teilbar (z. B. in Monatsleistungen); mangels getrennter Abrechnung ist der Begriff der Teilleistung jedoch nicht erfüllt.
Wir gehen von einem Regel-Schwimmbad ohne Sauna etc. aus, sodass nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG der ermäßigte Steuersatz gilt.
Bei K1 ist die Leistung am 14.6.2020 ausgeführt, der Steuersatz von 7 % ist also anzuwenden. Bei K3 gilt ähnliches, da die Leistung erst am 15.1.2021 und dann wieder mit 7 % ausgeführt ist.
Bei K2 ist die Leistung a, 14.7.2020, also zu 5 % ausgeführt. Die ursprüngliche Zahlung wurde aufgrund der Mindest-Ist-Besteuerung noch mit 7 % versteuert. Daher muss im VAZ 7/2020 eine Umsatzsteuerkorrektur auf 5 % nach § 17 UStG erfolgen.
Dies gilt auch für Jahreskarten der Bahn etc.
Verkauft das Schwimmbad eine 10er-Karte, die zum Besuch von 10 Eintritten berechtigt, handelt es sich u. E. hierbei jeweils um Teilleistungen, die dann zu besteuern sind, wenn sie auch in Anspruch genommen werden. Eine Zahlung zu Beginn muss sodann, wenn die Leistung im zweiten Halbjahr 2020 erfolgt, nach § 17 UStG korrigiert werden. Hier ist – wegen § 14c UStG – eine neue Rechnung notwendig, wenn auf der ursprünglichen Karte die 7 % ausgewiesen sind!
Zur Abgrenzung zu Teilleistungen sei noch folgender Fall aufgezeigt.
Beispiel 2
Fitnessstudio F vereinnahmt von seinen Kunden monatlich 50 € brutto. Im Vertrag ist die Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen.
Lösung
Hier liegen Teilleistungen vor, denn eine monatliche Abrechnung ist möglich, vereinbart und erfolgt auch.
Letztlich steht F vor folgenden Optionen:
a. Bei einem gleichen Netto-Entgelt von 42,02 € müssten für die Teilleistungen Juli 2020 bis Dezember 2020 die Brutto-Entgelte auf 48,74 € sinken. Weil im Vertrag lt. Sachverhalt keine Umsatzsteuer ausgewiesen ist, muss hier keine Korrektur erfolgen. Sollte im Vertrag Umsatzsteuer mit 7,98 € offen ausgewiesen sein, muss die Kunden ein Berichtigungsdokument ausgestellt wer-den, welches den Steuerausweis mit 16 % bzw. 6,72 € enthält.
b. Wird das Brutto-Entgelt nicht reduziert, schuldet F statt der bisherigen 7,98 € Umsatzsteuer nur 6,72 € je Kunde und Monat (je Kunde damit Ersparnis von 7,56 € für das gesamte zweite Halbjahr 2020). Wenn die Senkung des Umsatzsteuersatzes nicht an den Endkunden weitergegeben wird, steigt hier-durch der Gewinn.
Es ist letztlich die unternehmerische Entscheidung des F, für welchen der beiden Wege er sich entscheidet. Weg b ist zur Kompensation der Umsatzrückgänge in 2020 verlockend, kann jedoch in der Außendarstellung zu Problemen führen. Die politische Kommunikation wirkt schon jetzt dahingehend, dass Kunden wissen sollen, dass die Senkung von 3 % nicht dem Unternehmer, sondern dem Endverbrauchen zu Gute kommen soll.
Auf unsere nachstehenden Ausführungen zu § 29 UStG (Tz. 4) wird an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen.
2.4 Warenumtausch
Beim Umtausch eines Gegenstands wird die ursprüngliche Lieferung rückgängig gemacht , an ihre Stelle tritt eine neue Lieferung. Daher ist auch der Steuersatz im Zeitpunkt der „neuen Lieferung“ maßgebend.
2.5 Änderung der Bemessungsgrundlage
Tritt im zweiten Halbjahr 2020 eine Minderung oder Erhöhung der Bemessungsgrundlage für einen vor dem 1.7.2020 ausgeführten Umsatz ein (z. B. durch Skonto, Rabatt oder einen sonstigen Preisnachlass oder durch Nachberechnung), hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Dabei ist sowohl im Falle der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten als auch im Falle der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten bei einem Umsatz, der dem allgemeinen Steuersatz unterliegt, der bis zum 30.6.2020 geltende Steuersatz von 19 % anzuwenden. Das Gleiche gilt für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs .
3. Hinweise für den Praktiker
3.1 Sollten vor 1.7.2020 überhaupt noch Leistungen ausgeführt werden?
Soweit eine umsatzsteuerliche Leistung an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausgeführt wird, ist es letztlich unbedeutend, wann die Leistung ausgeführt wird, da sich aufgrund des Vorsteuerabzugs auf Seiten des Leistungsempfängers ohnehin wieder eine Neutralität ergibt.
Achten Sie aber auf die richtige Rechnungsstellung! Auf die Problematik des § 14c UStG haben wir an anderer Stelle bereits hingewiesen.
Anders sieht es aus, wenn Leistungen an private Endkonsumenten (B2C-Bereich) oder an Unternehmer mit eingeschränktem Vorsteuerabzug ausgeführt werden. Hier ist dringend dazu zu raten, die Leistung erst im zweiten Halbjahr 2020 auszuführen, sofern dies praktisch möglich ist.
3.2 Gutscheine im Rahmen der Steuersatzänderung
U. E. muss zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen unterschieden werden.
Bei Einzweckgutscheinen gilt bereits die Ausgabe als Leistung, d. h. wenn solche Einzweck-Gutscheine im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 ausgestellt werden, werden diese mit 16 % besteuert. Bei späterer Einlösung muss keine Nachversteuerung zu 19 % erfolgen. Das kann dazu dienen, den Steuersatz 2020 auch für 2021 zu sichern. Evtl. lohnen sich Jahresende Werbekampagnen.
Bei sog. Mehrzweckgutscheinen kommt es auf den Zeitpunkt des Einlösens an. Sprich wird ein solcher Gutschein im zweiten Halbjahr 2020 eingelöst, ist der Steuersatz nur mit 16 % (bzw. 5 %) fällig.
3.3 Was muss bei der Rechnungsstellung im zweiten Halbjahr 2020 beachtet werden?
3.3.1 Falscher Ausweis führt zu § 14c UStG
Wer ab 1.7.2020 die Steuersätze weiterhin mit 19 % bzw. 7 % auf einem Rechnungsdokument ausweist, schuldet die falsche Mehrsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG. D. h. Sie müssen die zu viel ausgewiesene Steuer von 3 % dennoch an das Finanzamt abführen! Auf Seiten des Rechnungsempfängers besteht hierbei nur ein Vorsteuerabzug in Höhe der regulären Umsatzsteuer, d. h. mit 16 % bzw. 5 %.
Auch die bloße Angabe des Steuersatzes in Kleinbetragsrechnungen nach § 33 UStDV löst eine Steuerschuld nach § 14c UStG aus.
Beispiel
Unternehmer U weist für eine Leistung im Juli 2020 fälschlicherweise in seiner Rechnung Folgendes aus:
Nettobetrag: 10.000 €, zzgl. USt: 1.900 €
Lösung
U muss die 1.900 € an das Finanzamt abführen (§ 14c Abs. 1 UStG). Der Rechnungsempfänger hat aus der Leistung einen Vorsteuerabzug von 1641,38 € (11.900 € / 116 x 16).
Besonders problematisch ist dies bei sog. Dauerrechnungen, wie z. B. bei Mietverträgen. Hier wird häufig die Netto-Miete zzgl. eines Umsatzsteuerbetrags angegeben. Sollte von Seiten der Finanzverwaltung keine Kulanzregelung erlassen werden, müssen hier Ergänzungen zu Mietverträgen erstellt werden.
In einem Mietvertrag sei Folgendes geregelt: Die Monatsmiete beträgt 10.000 € zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer von 1.900 €. Hier ist nunmehr folgende Ergänzung zum Mietvertrag notwendig: Für den Zeitraum Juli 2020 bis Dezember 2020 ändert sich die Miete im Mietvertrag vom xx.xx.xxxx auf 10.000 € zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer von 1.600 €. Hierzu wird auch auf unsere Ausführungen im Sachverhalt der Tz. 2.3.1 verwiesen.
3.3.2 Korrektur falscher Rechnungen
Aufgrund der kurzen Umstellungsphase ist zu erwarten, dass es in der Praxis in einer Vielzahl von Fällen zu falschen Steuerausweisen kommen wird. Dies insb. dann, wenn auf den Kassenbelegen die Umsatzsteuer ausgewiesen ist und das notwendige Update zeitlich scheitert. Es wird sich daher die Frage stellen, wann und wie die falschen Steuerausweise nach § 14c UStG korrigierbar sind. Hierzu beraten wir Sie im Einzelfall gerne persönlich.
3.3.3 Hinweis zur praktischen Umsetzung bei privaten Endkunden
Eine Pflicht zur Rechnungsausstellung i. S. des UStG ergibt sich aus § 14 Abs. 2 UStG. Zusammenfassend besteht lt. diesem Paragrafen eine Rechnungspflicht bei
a) Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken und
b) B2B-Leistungen (Leistung Unternehmer an Unternehmer).
Im Umkehrschluss bedeutet dies insbesondere, dass an Private Endkunden (B2C) keine Pflicht zur umsatzsteuerlichen Rechnungsstellung besteht. Daher kann privaten Endverbrauchern auch ein Rechnungsdokument ohne Steuerausweis ausgestellt werden, sprich eine Brutto-Rechnung ohne Hinweis auf die enthaltene Umsatzsteuer.
So kann in der Praxis im B2C-Bereich das Risiko des § 14c UStG minimiert werden.
Bei Verwendung einer elektronischen Kasse besteht eine Bonausgabepflicht (§ 146a AO). Der Gesetzgeber hat aber den Inhalt des Kassenbons nicht präzisiert. Die Ausstellung einer Brutto-Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis sollte aber dennoch den Begriff des Kassenbons erfüllen.
3.3.4 Abrechnung von Anzahlungen
Bei einer Anzahlung, kann über diese eine separate Rechnung gestellt werden. Für Schlussrechnung gilt sodann : In einer Endrechnung, mit der ein Unternehmer über die ausgeführte Leistung insgesamt abrechnet, sind die vor der Ausführung der Leistung vereinnahmten Entgelte oder Teilentgelte sowie die hierauf entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über diese Entgelte oder Teilentgelte Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt worden sind (§ 14 Abs. 5 Satz 2 UStG).
Beispiel
Eine Halle wird im August 2020 fertigstellt. Es wurden diverse Vorauszahlungen geleitet.
Lösung
Die Endabrechnung kann beispielsweise folgende Form aufweisen:
Netto Steuersatz USt Brutto
Halle (3.8.2020) 6.000.000 € 16 % 960.000 € 6.960.000 €
./. Abschlagszahlungen v.
1.7.2019 1.000.000 € 19 % 190.000 € 1.190.000 €
1.1.2020 1.000.000 € 19 % 190.000 € 1.190.000 €
1.7.2020 1.000.000 € 16 % 160.000 € 1.160.000 €
verbleibende Restzahlung 3.000.000 € 420.000 € 3.420.000 €
Zu weiteren Details beraten wir Sie gerne persönlich.
Mit den besten Grüßen und bleiben Sie gesund
Diplom-Betriebswirt
UWE VOGEL
Steuerberater