Wichtig für Arbeitgeber: Neue Rechtsprechung zur Wahl der versicherungsförmigen Lösung bei der betrieblichen Altersversorgung über eine Direktversicherung
von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Krieger
Die Entscheidung
Mit Urteil vom 19.05.2016 (Az. 3 AZR 794/14) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass das Verlangen des Arbeitgebers nach der sogenannten versicherungsförmigen Lösung bei Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung eines Arbeitnehmers über eine Direktversicherung vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden kann. Es ist jedoch erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung bereits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einer konkret bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht.
Hintergrund
Gibt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung, so entsteht im Laufe des Arbeitsverhältnisses eine sogenannte unverfallbare Anwartschaft. Scheidet der Arbeitnehmer vor Erreichen der Voraussetzungen für die Leistungen aus der Versorgungszusage, also z.B. vor Erreichen der Altersgrenze, aus dem Arbeitsverhältnis aus, so verliert er eine solche unverfallbare Anwartschaft nicht. Der Arbeitgeber muss vielmehr die zugesagte Leistung im Zeitpunkt des späteren Eintritts des Versorgungsfalles, also z. B. bei Erreichen der Altersgrenze, anteilig erbringen.
Unverfallbare Anwartschaften entstehen bei arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusagen nach derzeitiger Rechtslage dann, wenn der Arbeitnehmer bereits das 25. Lebensjahr vollendet hat und die Zusage mindestens fünf Jahre bestanden hat.
Bei arbeitnehmerfinanzierten Zusagen, insbesondere in Fällen der Gehaltsumwandlung, besteht die Unverfallbarkeit von Anfang an.
Wird die Altersversorgung über eine Direktversicherung durchgeführt, so richtet sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Auszahlung solcher Ansprüche aus der Zusage, die von den Versicherungsleistungen nicht gedeckt sind (etwa weil die Versicherung gekündigt oder beitragsfrei gestellt wurde und hierdurch die Versorgungsleistung der Versicherung reduziert wurde) gegen den Arbeitgeber. Es handelt sich bei diesem Ergänzungsanspruch um einen arbeitsrechtlichen Anspruch (arbeitsrechtliche Lösung).
Der Arbeitgeber hat jedoch die Möglichkeit, die sogenannte versicherungsrechtliche oder versicherungsförmige Lösung zu wählen, das heißt, er kann die Ansprüche des Arbeitnehmers auf die auf Grund des Versicherungsvertrages vom Versicherer zu erbringende Versicherungsleistung beschränken.
Voraussetzung hierfür ist, dass spätestens nach drei Monaten nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers das Bezugsrecht aus der Versicherung unwiderruflich ist, keine Abtretung oder Beleihung der Versicherung durch den Arbeitgeber sowie keine Beitragsrückstände mehr vorhanden sind, vom Beginn der Versicherung, frühestens jedoch vom Beginn der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers an nach dem Versicherungsvertrag die Überschussanteile nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung zu verwenden sind und der Arbeitnehmer nach dem Versicherungsvertrag das Recht hat, nach seinem Ausscheiden die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortzusetzen.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann der Arbeitgeber sein Verlangen nach der versicherungsförmigen Lösung gegenüber dem Arbeitnehmer und der Versicherung erklären. Tut er dies, so tritt der Anspruch des Arbeitnehmers gegen die Versicherung an die Stelle des Anspruchs gegen den Arbeitgeber und dieser geht unter. Der Arbeitnehmer erhält also bei Eintritt des Versicherungsfalls, z. B. bei Erreichen der Altersgrenze, lediglich die Leistungen aus der Versicherung, einen eventuellen Ergänzungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat er dann nicht mehr.
Allerdings muss der Arbeitgeber die Erklärungen spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeben. Nach Ablauf der drei Monate ist ein solches Verlangen nicht mehr möglich und es verbleibt bei der arbeitsrechtlichen Lösung.
Bisherige Handhabung
Da allgemein, auch von der Rechtsprechung, davon ausgegangen wird, dass die Wahl der versicherungsförmigen Lösung nicht erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch schon davor erklärt werden kann, sehen in der Praxis bereits die meisten Versorgungszusagen selbst (so z.B. die meisten von den Versicherungen zur Verfügung gestellten Formulare) die Wahl der versicherungsförmigen Lösung vor. Der Arbeitgeber gibt also irgendwann zu Beginn oder im Laufe des Arbeitsverhältnisses eine entsprechende Versorgungszusage, die über eine Direktversicherung durchgeführt werden soll und die bereits die Wahl der versicherungsförmigen Lösung vorsieht, ab und braucht sich dann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur darum zu kümmern, dass etwa keine Beitragsrückstände oder Verpfändungen mehr bestehen und das Bezugsrecht des Arbeitnehmers unwiderruflich geworden ist (was im Fall der Arbeitnehmerfinanzierung, insbesondere im Fall der Entgeltumwandlung, ohnehin von Anfang an der Fall ist).
Konsequenz der Entscheidung des BAG
Wie eingangs erwähnt hat das BAG nunmehr in seinem Urteil vom 19.05.2016 zwar bestätigt, dass die Wahl der versicherungsförmigen Lösung durch den Arbeitgeber durchaus bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers möglich ist. Allerdings muss nach dieser Entscheidung zum Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts bereits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen. Das Verlangen der versicherungsförmigen Lösung im Vertragsformular der Versorgungszusage allein genügt daher gerade nicht. Zum Zeitpunkt der Versorgungszusage wird nur in den allerwenigsten Fällen bereits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen.
Zu beachten ist auch, dass die zitierte Entscheidung zwar ausdrücklich nur zum Durchführungsweg der Direktversicherung ergangen ist, da in dem zur Entscheidung stehenden Fall die Altersversorgung über eine Direktversicherung durchgeführt wurde.
Allerdings besteht die Möglichkeit der Wahl der versicherungsförmigen Lösung nicht nur bei der Direktversicherung, sondern auch dann, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds durchgeführt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass die Rechtsprechung des BAG auch auf diese Durchführungswege anzuwenden ist, da hier die Interessenlage identisch ist und kein Grund ersichtlich ist, warum der Arbeitgeber hier ohne sachlichen und zeitlichen Zusammenhang sein Verlangen erklären können soll.
Es ist daher allen Arbeitgebern dringend anzuraten, bei jeder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, sei es durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Ablauf einer Befristung, zu prüfen, ob eine betriebliche Altersversorgungszusage besteht und ob diese über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds durchgeführt wird.
Ist dies der Fall und wünscht der Arbeitgeber die versicherungsförmige Lösung, so muss er dies, auch wenn die Versorgungszusage eine solche Erklärung enthält, nochmals im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer und gegenüber der Versicherung, bzw. der Pensionskasse oder dem Pensionsfonds, erklären.
Die Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer kann mit der Kündigung oder in einem Aufhebungsvertrag oder aber in einem gesonderten Schreiben erfolgen. Sie sollte aus Nachweiszwecken gegenüber dem Arbeitnehmer und der Versicherung schriftlich erfolgen und darf beiden nicht später als drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugehen.
Allgemeiner Hinweis
Die obigen Ausführungen gelten für alle Zusagen der betrieblichen Altersversorgung, also nicht nur für freiwillig von Arbeitgeberseite gegebene Zusagen. Sie gelten ebenso für Versorgungszusagen, die etwa auf Grund von Tarifverträgen erfolgen. Sie gelten insbesondere auch für den Fall der Gehaltsumwandlung, auf die der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch hat.